Geburt: Phasen, Anzeichen & natürliche Methoden – dein umfassender Guide
Inhaltsverzeichnis
Die Geburt ist ein Übergangsritual – zwischen zwei Welten, zwei Körpern, zwei Leben. Für viele Frauen ist sie einer der intensivsten Momente ihres Lebens. Umso wichtiger ist es, sich gut vorbereitet zu fühlen, die Abläufe zu kennen und gleichzeitig zu wissen: Du musst nicht alles kontrollieren. Du darfst vertrauen. In dich, deinen Körper, deine Geburtsbegleitung und dein Baby.
Studien zeigen, dass Frauen, die mit einem Gefühl von Sicherheit und Selbstbestimmung in die Geburt gehen, diese positiver erleben – ganz unabhängig vom Verlauf oder Geburtsmodus (Hodnett et al., 2012). Deshalb ist Wissen ein Geschenk. Nicht um Erwartungen zu steigern – sondern um Entscheidungen informiert treffen zu können.
In diesem Artikel erfährst du alles Wesentliche über den Ablauf einer Geburt, welche Zeichen du erkennen kannst, wie du dich innerlich & äußerlich vorbereitest und welche natürlichen Methoden dir helfen können, deinen Körper sanft bei der Einleitung zu unterstützen.
Frühe Geburtsanzeichen – was passiert vor dem „richtigen“ Start?
Die meisten Geburten kündigen sich über Tage – manchmal Wochen – ganz sanft an. Diese Zeichen bedeuten nicht, dass die Geburt unmittelbar bevorsteht, können aber Hinweise darauf sein, dass sich dein Körper vorbereitet:
Der Bauch senkt sich: Besonders bei Erstgebärenden oft 2–4 Wochen vor Geburt. Das Baby rutscht tiefer ins Becken, du bekommst besser Luft, spürst aber mehr Druck nach unten.
Veränderung der Stimmung: Viele Frauen berichten von Unruhe, Nestbautrieb oder plötzlichem Rückzugsbedürfnis.
leichter Schleimabgang („Zeichnen“) / blutiger Ausfluss: Dies zeigt, dass sich der Muttermund beginnt zu öffnen.
vermehrte Kontraktionen oder Rückenziehen: Diese Vorwehen sind unregelmäßig, schwächer als echte Wehen und verändern sich bei Bewegung.
💡 Braxton-Hicks vs. echte Wehen?
Vorwehen (Braxton-Hicks) sind unregelmäßig, hören bei Bewegung oft auf und verursachen keine kontinuierliche Öffnung des Muttermundes. Echte Wehen werden regelmäßig, stärker und führen zur Geburt.

Die Phasen der Geburt im Detail
1. Latenzphase (frühe Eröffnungsphase)
Die Geburt beginnt meist leise – mit Vorwehen oder einem Ziehen im unteren Rücken. In der Latenzphase beginnen sich die Kontraktionen zu etablieren, sind aber noch unregelmäßig und weniger intensiv. Der Muttermund öffnet sich langsam bis ca. 3–4 cm.
Diese Phase kann bei Erstgebärenden mehrere Stunden bis sogar Tage dauern – bei Mehrgebärenden oft kürzer.
Tipp: Nutze diese Zeit zum Schlafen, Spazieren, Essen oder Entspannen.
Ein warmes Bad, ätherische Öle oder ruhige Musik helfen, den Rhythmus aufzunehmen.
Wichtig:
Die Latenzphase ist eine echte Geburtsphase – aber du musst jetzt nicht „funktionieren“. Vertrauen, Geduld und Geborgenheit sind hier wertvoller als Zeitdruck.
2. Aktive Eröffnungsphase
Sobald der Muttermund ca. 4–6 cm erreicht hat und die Wehen regelmäßiger und intensiver werden, beginnt die aktive Eröffnungsphase. Die Wehen kommen nun etwa alle 3–5 Minuten und dauern 40–60 Sekunden.
Der Muttermund öffnet sich auf bis zu 10 cm. Diese Phase kann sehr fordernd sein – sowohl körperlich als auch emotional.
Manche Frauen erleben hier die sogenannte „Übergangsphase“, in der sie das Gefühl haben, aufgeben zu wollen.
Gleichzeitig steigt die Hormonausschüttung von Oxytocin, Endorphinen und Adrenalin – dein Körper aktiviert natürliche Schmerzmittel.
Hier kann die Unterstützung einer vertrauten Person, deiner Hebamme oder einer Doula sehr entlastend wirken.
3. Austreibungsphase und Geburt
Sobald der Muttermund vollständig geöffnet ist, beginnt die sogenannte Austreibungsphase. Der Drang zu schieben entsteht durch den Druck des kindlichen Kopfes auf den Beckenboden.
Die Dauer dieser Phase kann sehr unterschiedlich sein – bei Erstgebärenden etwa 30–90 Minuten, bei Mehrgebärenden oft kürzer.
Wichtig: Geburtspositionen, Atmung und eine geburtsbegleitende Person, die deine Wünsche kennt, sind jetzt entscheidend. Auch warme Kompressen können helfen, einen Dammriss zu vermeiden.
Die Geburt endet mit der Geburt deines Babys und anschließend der Plazentageburt.

Unterschiede zwischen Erst- und Mehrgebärenden
1. Geburtsbeginn
Bei Erstgebärenden senkt sich der Bauch oft schon Wochen vorher – bei Mehrgebärenden kann dies erst mit Geburtsbeginn passieren.
Die Latenzphase ist meist länger und unklarer bei Erstgebärenden.
Mehrgebärende erkennen Vorzeichen oft besser, da sie wissen, wie sich echte Wehen anfühlen.
2. Eröffnungsphase und Geburtsdauer
- Die aktive Eröffnungsphase und Austreibungsphase verlaufen bei Mehrgebärenden meist schneller, da das Gewebe bereits gedehnt wurde und der Körper den Prozess „kennt“.
- Bei Erstgebärenden ist die Geburt körperlich oft fordernder, aber auch emotional intensiv, weil alles neu ist.
3. Emotionale Erfahrung
Erstgebärende bringen häufiger Unsicherheiten mit – Vertrauen muss erst wachsen.
Mehrgebärende können sowohl positiver in die Geburt gehen – oder auch mit Ängsten, wenn frühere Geburten belastend waren.
Der emotionale Raum darf in beiden Fällen bewusst gepflegt werden – durch Mentale Vorbereitung, Austausch oder Begleitung.
Egal ob erste oder fünfte Geburt – jede Geburt ist einzigartig. Vertrauen in dich selbst, dein Baby und deine Begleitung macht den entscheidenden Unterschied.
Geburtspositionen – auf den Körper hören
Dein Körper weiß instinktiv, welche Haltung gerade guttut. Studien zeigen, dass aufrechte, bewegte Gebärpositionen:
die Schwerkraft nutzen
die Öffnung des Beckens optimieren
den Wehenschmerz reduzieren
die Dauer der Geburt verkürzen (Lawrence et al., 2013)
Beispiele:
Vierfüßlerstand (ideal bei Rückenwehen)
Hockposition (mit Gebärhocker oder Partnerstütze)
Seitenlage (bei Erschöpfung oder CTG)
Wassergeburt (schmerzlindernd, entspannend)
🌀 Auch das Tönen oder rhythmisches Atmen kann helfen, in Verbindung zu bleiben.
Sanfte Methoden zur Wehenanregung & Geburtsvorbereitung
Du bist über dem errechneten Termin oder wünschst dir eine sanfte Aktivierung?
⚠️ Nicht alle Methoden sind für jede Frau geeignet – bitte immer in Rücksprache mit deiner Hebamme anwenden.

Emotionale Vorbereitung & dein innerer Raum
Geburt beginnt im Kopf – und im Herzen. Deine mentale Haltung kann entscheidend beeinflussen, wie du Geburt erlebst. Techniken wie Hypnobirthing, Atemübungen, Visualisierungen und positive Affirmationen stärken dein Urvertrauen und helfen, Angst durch Entspannung zu ersetzen. Viele Frauen berichten, dass sich durch gezielte mentale Vorbereitung nicht nur das Schmerzempfinden verändert, sondern auch das Gefühl von Kontrolle, Kraft und Selbstbestimmung während der Geburt wächst.
„Ich vertraue meinem Körper und meinem Baby.“
Dein Mindset ist ein kraftvolles Werkzeug. Nutze Affirmationen, Visualisierungen oder Hypnobirthing-Techniken, um dich mental auf eine sanfte, selbstbestimmte Geburt einzustellen.
„Meine Wehen sind Wellen – ich reite sie.“
Die Rolle deiner Geburtsbegleitung
Die Geburt ist eine intime, kraftvolle Erfahrung – und eine sichere, liebevolle Begleitung kann sie noch stärkender machen. Studien zeigen, dass Frauen, die während der Geburt kontinuierlich begleitet werden, seltener Interventionen benötigen, sich selbstwirksamer fühlen und im Nachhinein positiver über ihre Geburtserfahrung berichten (Bohren et al., Cochrane Review 2017).
Was kann eine Geburtsbegleitung konkret tun?
Emotionale Stärkung: Dich in deiner Kraft halten, dich ermutigen, Ängste auffangen.
Kommunikation: Deine Wünsche dem medizinischen Team gegenüber äußern, wenn du selbst dazu nicht in der Lage bist.
Körperliche Unterstützung: Massagen, Atembegleitung, das Halten, Tragen oder Unterstützen von Positionen.
Struktur und Ruhe: Den Überblick behalten, dir Sicherheit geben, z. B. durch Visualisierungen oder Entspannungstechniken.
Schutz deines Raumes: Für Ruhe sorgen, Grenzen setzen, dein Tempo respektieren.
Formen der Begleitung:
Partner*in / Vertrauensperson: Oft intuitiv und emotional nah, jedoch selbst emotional involviert.
Hebamme: Medizinische Fachkraft & erfahrene Geburtsbegleiterin – vor allem in hebammengeleiteten Settings zentral.
Doula: Nicht medizinisch, aber emotional & praktisch unterstützend. Studien belegen signifikante positive Effekte bei Doula-Begleitung.
Geburtsfotograf*in: Wenn gewünscht, kann diese Person auch unauffällig dokumentieren – eine Erinnerung fürs Leben.
Tipp: Besprich mit deiner Begleitung, was du dir wünschst – und was nicht. Vielleicht schreibst du das in deinen Geburtsplan oder nutzt unsere Geburtswunschliste zum Ausdrucken.
Vertrau deinem Team – und dir. Deine Stimme zählt, auch wenn du gerade mitten in einer Wehe bist. ✨
Medizinische Interventionen verstehen
Nicht jede Geburt verläuft ganz ohne Unterstützung. Manche Maßnahmen können medizinisch notwendig sein – wichtig ist: Du darfst mitentscheiden und Fragen stellen. Hier sind die häufigsten Interventionen:
1. Wehenmittel (z. B. synthetisches Oxytocin / Syntocinon):
Einsatz: Wenn Wehen nicht einsetzen oder zu schwach sind.
Wirkung: Fördert Wehen, aber oft schmerzhafter als natürliche Wehen.
Tipp: Nur mit guter Begleitung einsetzen und schmerzstillende Optionen abklären.
2. PDA (Periduralanästhesie):
-
Wirkung: Lokale Betäubung im unteren Rücken, reduziert Schmerzempfinden.
Vorteile: Effektive Schmerzlinderung, besonders bei sehr langen Geburten.
Nachteile: Weniger Bewegungsfreiheit, mögliche Blutdrucksenkung, längere Austreibungsphase.
3. Epi-No, Kristeller-Handgriff & Co.:
Epi-No: Ballon zum Dehnen des Damms vor der Geburt – umstritten in der Wirkung.
Kristeller: Druck auf den Bauch zur Austreibung – medizinisch nicht empfohlen (Risiken für Mutter & Kind!).
4. Dammschnitt (Episiotomie):
Wird heute nur noch selten routinemäßig gemacht. Studien zeigen: kontrolliertes Einreißen ist oft besser heilbar als ein Schnitt.
Vorbeugung: Dammmassage, warme Kompressen, Atemtechnik, keine forcierten Presswehen.
5. Zangengeburt oder Saugglocke (operative Entbindung):
Einsatz: Wenn das Baby im Becken feststeckt oder schnelle Hilfe nötig ist.
Wichtig: Immer in Verbindung mit genauer Aufklärung & Einverständnis.
6. Kaiserschnitt (primär / sekundär):
Primär: Geplant vor der Geburt (z. B. bei Lageanomalien).
Sekundär: Ungeplant während der Geburt (z. B. Geburtsstillstand).
Tritt bei rund 30 % der Geburten in Deutschland auf. Wichtig: Auch eine Bauchgeburt kann positiv erlebt werden – mit liebevoller Begleitung.
Was passiert direkt nach der Geburt?
Die sogenannte „Golden Hour“ – die erste Stunde mit deinem Baby – ist eine sensible Phase. Bonding, Stillbeginn, Abnabeln, Plazenta...
👉 Lies hierzu gerne unseren ausführlichen Artikel: Tipps für eine natürliche Geburt

Geburt weltweit – ein Blick in andere Kulturen
Jede Kultur hat eigene Geburtsrituale – oft mit einem großen Fokus auf Weiblichkeit, Verbindung & Gemeinschaft. Das kann inspirieren und dir Mut machen, deinen eigenen Weg zu gehen:
Mexiko: Rebozo-Technik
-
Traditionelles Tuch, das zum Lockern der Hüften, Entspannen des Rückens und Unterstützen der Geburtslage eingesetzt wird.
Wird oft auch zur emotionalen Vorbereitung genutzt (Rebozo Closing Ceremony).
Niederlande: Hausgeburt als Standard
-
Etwa 20–30 % der Geburten finden zu Hause statt – mit ausgebildeter Hebamme & hoher Sicherheit.
Fokus auf Selbstbestimmung, minimalen Interventionen und Vertrautheit
Japan: Stille & Respekt
-
Kaum lautes Coaching oder Pushen – Geburt wird als natürlicher, ruhiger Prozess gesehen.
Viel Wert auf Ruhe, Ehre und den Übergang ins Leben.
Südafrika / Ghana: Traditionelle Gesänge & Tänze
-
Die werdende Mutter wird von Frauen aus der Familie begleitet, es wird gesungen, geräuchert, massiert.
Geburt ist ein Ereignis der Gemeinschaft.
Skandinavien: Geburtszentren & Doulas
-
Hoher Stellenwert von ganzheitlicher Betreuung, viel Fokus auf mentale Vorbereitung und Selbstermächtigung.
Lass dich inspirieren, was sich für dich richtig anfühlt – du darfst deine Geburt individuell gestalten.
Literatur- & Ressourcenempfehlungen
Ina May’s Guide to Childbirth – Erfahrungsberichte & Wissen über natürliche Geburt
Hypnobirthing (Marie Mongan) – Visualisierungen, Atemtechniken, mentale Kraft
Orgasmic Birth (Debra Pascali-Bonaro) – Wie Geburt als kraftvoll und sinnlich erlebt werden kann
Guter Hoffnung (Hebamme Jana Friedrich) – ganzheitlicher Ratgeber für Schwangerschaft & Geburt
🎧Podcast-Tipp: The Birth Hour, Mamasté, The Midwives’ Cauldron
📱App-Tipps: Clue für Zyklusbeobachtung, Contraction Timer, Affirmations-Apps
💌 Download: Unsere Geburtswunschliste als PDF
Weitere Beiträge für deine Geburtsreise
Fazit
Geburt ist wild und weise, kraftvoll und zerbrechlich.
Sie braucht deinen Körper – aber auch dein Vertrauen.
Lass dich begleiten, bereite dich vor, aber erlaube auch dem Unbekannten, Teil deiner Erfahrung zu sein.
Denn egal wie dein Baby zur Welt kommt – du trägst Kraft, Liebe und Instinkt in dir. Du bist bereit.